Gegen Diskriminierung jeder Art

Als Landesverband Ost Stottern & Selbsthilfe e.V. haben wir uns dem Ziel verschrieben, uns für die Interessen von stotternden Menschen einzusetzen. Dazu gehört die Abwendung von Diskriminierung wegen unseres Stotterns. Zurzeit schlägt ein Vorfall höhere Wogen, der die möglicherweise gegebene Diskriminierung von stotternden Menschen betrifft. Worum geht es? Der Fall hat in sich in 2 Etappen ereignet.

1. Etappe: Am 29.1.2018 findet in Berlin ein #Bundestagsausschuss zum Thema „Familiennachzug subsidiär schutzberechtigter Flüchtlinge“ statt. In diesem Rahmen spricht der stotternde AfD-Politiker Dieter Amann. Die Rede kann hier nachgehört werden: https://dbtg.tv/cvid/7195672 Dieter Amann spricht von Minute 4:52-10:25.

2. Etappe: Am 2.2.2018 wird in der ZDF heute-show ein Ausschnitt dieser Rede gezeigt. Er ist so aufbereitet, dass er komisch wirkt. Der Ausschnitt ist mittlerweile aus der in der Mediathek des ZDF verfügbaren Aufzeichnung gelöscht (vgl. https://www.zdf.de/comedy/heute-show/heute-show-vom-2-februar-2018-100.html). Ursprünglich war der Beitrag zu Amann von ca. Minute 14:39-15:35 zu sehen. Eine andere möglichst neutrale Quelle, die diesen Ausschnitt in einer unveränderten Fassung zeigt, haben wir bisher nicht gefunden.

Die Frage ist nun, ob in diesem Beitrag ein stotternder Mensch vorgeführt und diskriminiert wurde. Von AfD-Seite hat man sich rasch in diesem Sinne über den Satire-Beitrag entrüstet. Wir möchten gerne genau hinsehen und folgendermaßen dazu Stellung nehmen:

1. Dieter Amann diskriminiert in seiner Rede auf rassistische Weise geflüchtete Menschen, indem er z.B. einer Mehrheit von ihnen pauschal unterstellt, sie würden im Kontext von Asylverfahren in den meisten Fällen lügen, Absurditäten erzählen, Widersinniges und Schwachsinn äußern (vgl. Minute 6:45-6:55). Zu unguter Letzt behauptet er in seiner Rede, ältere Geflüchtete seien wegen angeblich zu erwartender sprachlicher Defizite nicht mehr in den Arbeitsmarkt bzw. die Gesellschaft zu integrieren. Zitat: „Die überwältigende Mehrheit der Familienväter wird schon allein aufgrund des Alters niemals die Sprache in einer Weise lernen, die ihnen einen eigenständigen Lebensunterhalt in unserem Hochtechnologieland ermöglichen wird.“ (vgl. Minute 8:00-8:20)

2. Die heute-show griff in ihrem Ausschnitt genau dieses Zitat heraus und erzeugte auf zwei Weisen Komik. Eine davon halten wir für gerechtfertigt, die andere nicht. Die erste Weise, Komik zu erzeugen, bestand darin zu zeigen, dass ein AfD-Politiker ganz offensichtlich nicht den Selbstwiderspruch erkennt, der darin besteht, dass er Menschen wegen sprachlicher Einschränkungen diskriminiert, gleichzeitig aber auf eine Art und Weise spricht, die selbst sprachlich eingeschränkt ist. Das ist komisch. Und selbst als stottererfahrener Mensch konnte man zu Beginn des Beitrags nicht unmittelbar und zwingend auf das Vorhandensein von Stottern schließen. Die zweite Weise, Komik zu erzeugen, bestand darin, dass mit Hilfe von eingespieltem Gelächter an zwei Stellen relativ offensichtliches Stottern zum Gegenstand von Komik gemacht wurde: a) im Redeausschnitt selbst und b) in der anschließenden Moderation, in der Oliver Welke Stottern auf primitive Weise nachäffte.

Vor diesem Hintergrund möchten wir folgendermaßen Stellung nehmen:

1. Wir halten es für absolut legitim, die Komik eines AfD-Politikers zu zeigen, der nicht selbstreflektiert genug erscheint, den oben genannten groben Selbstwiderspruch zu erkennen. Wer andere wegen ihrer Mängel beim Sprechen bzw. in der Sprache diskriminiert, sollte sich jedenfalls nicht wundern, wenn das auf ihn zurückfällt. Alles andere ist scheinheilig. Und zwar auch dann, wenn man vor Beginn seiner Rede auf das eigene Stottern hinweist, wie hier geschehen.

2. Wir halten es für überhaupt gar nicht legitim, Stotterereignisse als solche zum Auslöser für Komik zu machen. Wir sind keine Witzfiguren, die man nach Belieben wegen ihrer sprachlichen Einschränkung, die sich niemand von uns aussucht, verspotten kann! Wir wollen mit unserer sprachlichen Einschränkung als vollwertige Mitglieder der Gesellschaft akzeptiert werden, denn wir haben – außer flüssigen Sprechens – genauso viel wie alle anderen Menschen zu bieten: z.B. verschiedenste Fähigkeiten, menschliche Qualitäten und Persönlichkeiten!

Zum Schluss möchten wir noch Folgendes festhalten:
Das ZDF und Oliver Welke haben sich für ihren Fehler, nämlich eine bestimmte Menschengruppe durch ihre Art der Darstellung zu diskriminieren, entschuldigt (vgl. die an diesen Beitrag angehängten Screenshots der entsprechenden Twitterbeiträge, die auch hier zu finden sind https://twitter.com/heuteshow/status/960608623578767360). Von Dieter Amann ist uns hingegen keine Entschuldigung dafür bekannt, dass er in seiner Rede geflüchtete Menschen pauschal diskriminiert. Vielmehr ist zu befürchten, dass er als AfD-Politiker weiterhin eine Politik machen wird, deren Kern rassistische und andere Formen der Diskriminierung sind. Wir hoffen allerdings, dass er vielleicht doch erkennt, dass die eine wie die andere Diskriminierung – gleichgültig ob wegen einer sprachlichen Einschränkung oder einer nicht-deutschen Herkunft – auf die exakt gleiche Weise funktioniert. Diskriminierung bedeutet nämlich „Herabsetzung, Herabwürdigung in der Geltung, im Wert“ (vgl. https://www.dwds.de/wb/Diskriminierung). Gleichgültig also aufgrund welcher Merkmale man eine Gruppe von Menschen pauschal herabsetzt und herabwürdigt, der Prozess dieser Herabwürdigung ist immer der gleiche. Wir vom Landesverband Ost Stottern & Selbsthilfe e.V. wenden uns hiermit gegen jede Form von Diskriminierung, gleichgültig ob sie anlässlich der Herkunft, des Geschlechts, der Religionszugehörigkeit, der Ethnie, der sexuellen Orientierung, einer Behinderung oder eines anderen menschlichen Merkmals stattfindet. Diskriminierung verletzt in jedem einzelnen Fall. Und das ist in keinem Fall zu rechtfertigen.